photoinfos.com

Spektive

Fernrohr - Teleskop - Spotting Scope zur Naturbeobachtung

2010 / 2016 © Thomas Gade


Outdoor mit Stativ und Spektiv zur Naturbeobachtung

Was ist ein Spektiv?

Spektive sind Teleskope oder Fernrohre mit aufrechtem und seitenrichtigem Bild, die ursprünglich vor allem zur zivilen und militärische Überwachung und für Jäger entwickelt wurden.

Moderne Spektive sind die Nachfahren der einstigen Piratenfernrohre, mit denen der Horizont nach anderen Schiffen abgesucht wurde. Noch immer werden solche ausziehbaren Fernrohre von Jägern zur Gebirgs- und Ansitzjagd eingesetzt. Ihre Instrumente sind natürlich nicht mehr in Leder eingeschlagen, sondern in grünes Gummi als Schutz vor Stößen. Außerhalb dieses Bereichs sind solche Fernrohre vor allem als Spielzeug oder als Dekoobjekte erhältlich, aber als Beobachtungsinstrument in der Naturbeobachtung haben sie ausgedient.

Mitte des letzten Jahrhunderts wurden Spektive populär, die einen Revolver mit mehreren Okularen hatten und somit mehrere Vergrößerungsstufen anboten. Diese Spektive wurden vor allem von Naturbeobachtern eingesetzt, die kompakte und unkomplizierte Fernrohre mit aufrechtem und seitenrichtigen Bild bevorzugten. Später wurden die Okularrevolver durch Zoomokulare ersetzt.


Unitron Spektiv der 1960-80er mit 80 mm Objektiv. Vier Okulare am Revolver.

Seltsamer Name

Der Begriff Spektiv ist vielen Menschen nicht geläufig und man fragt sich, warum es nicht einfach Fernrohr heißt. Spektiv leitet sich aus lateinischen Begriffen ab, wie spectaculum (Schauspiel, Anblick, Theater) und spectare (sehen). Ein deutsches Unternehmen bietet mittlerweile eine VR-Brille für Tablets als VR-Spektiv an. Das Spektiv heißt in der englischen Sprache Spotting Scope. Nikon nennt seine Spektive Fieldscope.

Modernes Spektiv

Inzwischen haben Spektive robuste Gehäuse mit Innenfokussierung. In der Praxis verwendet man sie mit einem einzigen Zoomokular und ihre Nutzer müssen nur wenig über die optisch-mechanischen Grundlagen solcher Teleskope wissen. Es ist praktisch nicht vorgesehen, dass man sie beim Gebrauch durch den Wechsel von Modulen umkonfiguriert, wie astronomische Teleskope.

Der Durchmesser des Objektivs sollte rund 85 mm betragen, damit das Spektiv auch in der Dämmerung genügend Licht sammelt. Solche Spektive vergrößern mit Zoomokular zwischen ca. 20 - 60 fach. Wer in der Natur unterwegs ist, schätzt leichtes Gepäck. Ein gutes Spektiv darf heute nicht mehr als 2 kg wiegen und das Stativ wiegt auch noch etwas. Wer beim Wandern mehr mitschleppt, bereut dies rasch.

Im Wesentlichen wird die Bildqualität durch das Objektiv bestimmt, das entweder ein klassisches achromatisches oder ein hochkorrigiertes apochromatisches ist. Ersteres erzeugt Bilder mit mehr oder weniger ausgeprägten Farbsäumen an kontrastreichen Kanten, während dies bei Apos gar nicht oder nur minimal wahrzunehmen ist.

Die extrem hohe optische Korrektur edler Spektive von namhaften Herstellern wird erreicht durch dispersionsarme Objektive. Mindestens eine Linse im Spektiv besteht aus sogenanntem ED- oder Fluorid-Glas, durch das chromatische Aberrationen, also Farbsäume an kontrastreichen Kanten auf ein Minimum reduziert werden und somit auch eine höhere Schärfe erreicht wird. Man sollte den Begriff ED-Objektiv bei Modellen deutlich unter 1000 € nicht mit bester Bildqualität gleichsetzen. Wir testeten das Vanguard Endeavor HD 82A, welches für rund 500 € durchaus respektabel ist, aber leistungsmäßig vom Kowa TSN 883 weit in den Schatten gestellt wird.

Es gibt Einsteigermodelle ab ca. 100 €, aber viele Käufer von billigen Spektiven sind von der Bildqualität, Haltbarkeit und Mechanik enttäuscht. Die gehobene Mittelklasse ist ab 1500 € zu haben und erst ab 2000 € begibt man sich in die Oberklasse. Trotz der längst erreichten, sehr hohen Qualität bei kleinster Bauweise und geringem Gewicht, erwarten anspruchsvolle Spektiv-Nutzer weitere Verbesserungen bei der Transmission, also der Lichtausbeute bei gleicher Öffnung und noch kompaktere und leichtere Konstruktionen. Auch sie müssen dauerhaft wasserdicht sein und den Strapazen der Outdooreinsätze standhalten.






Lichtstarkes Nikon Fieldscope ED 82 Spektiv. Es ist kompakt, wasserdicht und robust. Genau richtig für den Outdoor Einsatz. Als Stativkopf ist ein Kugelkopf wie auf dem Bild nicht so gut geeignet. Besser sind gebremste Fluidköpfe für Videokameras, beispielsweise der Sirui VH-10.

Infos

Es gibt verschiedene Fernrohre oder Teleskope, die man grob in drei Kategrorien einteilt: Fernrohr, Spektiv, Refraktor. Sie haben - ebenfalls grob dargestellt - folgende Eigenschaften. Stellvertretend für alle Varianten der astronomischen Fernrohre haben wir hier nur die Refraktoren (Linsenfernrohre) berücksichtigt und die Spiegelteleskope außen vor gelassen.

  Fernglas Spektiv Refraktor
 
Vergrößerung 7 - 15x 20 - 80x 30 - 400x
Einblick binokular * monokular * monokular und
binokular **
Objektivdurchmesser 20 - 60 mm 50 - 100 mm 50 - 200 mm
Stativ nötig? nein ja ja
Wasserdicht selten ja nein
Bezeichnung Fernglas, Feldstecher Spektiv, Fernrohr, Spotting Scope, Teleskop Teleskop, Refraktor, Fernrohr
       
Fotografie      
DSLR nein bedingt *** ja (sehr gut)
Smartphone ja ja nicht üblich
digit. Kompaktkamera selten ja nicht üblich
       

* Monokular bedeutet, dass man mit einem Auge beobachtet und binokular, dass zwei Okulare vorhanden sind und somit mit beiden Augen in das Instrument geblickt wird.
** abhängig vom verwendeten Zubehör
*** gut mit spezieller Optik und nicht so gut bei einfacher Okularprojektion

Spektive vergrößern stärker als die handlicheren Ferngläser (Feldstecher), die zwei Okulare und zwei Objektive haben. Feldstecher für freihändiges Beobachten vergrößern üblicherweise zwischen 7 bis 10x und haben Objektive mit Durchmessern zwischen 20 bis 50mm.

Spektive haben öffnungen zwischen 50 bis 100 mm; üblich sind rund 80 mm. Am 80 mm Spektiv sind Vergrößerungen von 20 bis 60x Standard. Spektive gehören auf ein Stativ, denn freihändig kann man sie nicht mehr auf ein Motiv richten, bzw. gerichtet halten.

Moderne Spektive werden meistens mit Zoomokularen verwendet. Sie haben Okulare mit fester Brennweite noch nicht völlig verdrängt, die besser korrigiert sein können und ev. einen größeren Blickwinkel bieten. In der Praxis überwiegen die Vorteile des Zooms, weil damit der Okularwechsel auf freiem Feld entfällt. Am Spektiv beobachtet man einäugig.


Voyager II Maksutov. öffnung 70mm / 860mm Brennweite. Das kleine Gerät vergrößert stark: 38-114x. 45° Einblick

Wo werden Spektive eingesetzt?

Spektive werden gerne von Naturbeobachtern zur Tier- und Vogelbeobachtung eingesetzt. Wir finden Spektive auch bei Sportveranstaltungen wie Golf oder Schießen und man kann sie für astronomische Beobachtungen nutzen.

Gerader oder schräger Einblick

Auf dem Hochsitz ist ein Spektiv mit geradem Einblick praktisch, weil der Jäger es auf die Brüstung legen kann, um die Umgebung nach Wild abzusuchen.

Verwendet man ein Spektiv mit geradem Einblick auf einem Stativ, muss man es zur bequemen Nutzung auf Augenhöhe des Betrachters positionieren. Beim Beobachten ferner Dinge, die nicht oben und unten, sondern horizontal um einen herum zu sehen sind, ist ein Spektiv mit geradem Einblick bei korrekter Positionierung auf Augenhöhe des Nutzers ideal, jedoch ändert sich dies, wenn mehrere Menschen unterschiedlicher Körperlänge abwechselnd hindurch schauen möchten. Ferner ist der gerade Einblick nicht so günstig, wenn man ein Spektiv zu Mustern des nächtlichen Himmels nutzt, also nach oben richtet, oder auf einen Horst im Wipfel eines Baumes, denn dazu muss man sich den Hals verrenken.

Deshalb gibt es Spektive mit schrägem Einblick, meist im 45° Winkel, die oftmals besser zu nutzen sind als jene mit geradem Einblick. Welche Bauart am besten ist, hängt von der Art der Nutzung ab und ist Geschmackssache.



Oben: Celestron Ultima 80 mit geradem Einblick
Unten: Kowa Prominar TSN 883 mit schrägem Einblick

Objektiv

Moderne Spektive aller Preisklassen sehen sich sehr ähnlich und die extreme Preisspanne zwischen 100 bis 3800 € ist begründet durch die unterschiedliche Qualität der Opktik und Konstruktion, sieht man von Auf- und Abschlägen für Marken ab.

Seit dem 18. Jahrhundert werden zweilinsige Objektive aus den Glassorten Kronglas und Flintglas gebaut. Durch die Kombination dieser Gläser entstehen sogenannte achromatische Objektive, die ein deutlich besseres Bild werfen als eine einfache Sammellinse. Achromatische Objektive findet man in vielen herkömmlichen Ferngläsern und Teleskopen.

Ein Lichtstrahl wird beim Durchwandern von Linsen oder Prismen mehr oder weniger stark in Regenbogenfarben aufgefächert. Dies nennt man Dispersion. Je größer die Dispersion einer Glassorte ist, desto weniger eignet sie sich für Objektive mit hoher Abbildungsqualität.

Um eine bessere Bildqualität als mit achromatischen Objektiven zu erreichen, wurden Glassorten mit besonders geringer Dispersion entwickelt. Englisch: extra low dispersion - die sogenannten ED Gläser.

Durch den Einsatz einer sogenannten ' extra low dispersion' Glassorte kann man bereits mit zwei Linsen ein Objektiv bauen, das schärfer ist als ein achromatisches Objektiv und nur noch kaum wahrnehmbare Farbsäume an kontrastreichen Kanten bildet.

Spektive mit Fluorit oder ED Objektiven haben somit eine erheblich bessere Optik als herkömmliche Spektive mit achromatischen Objektiven.

Achromatisches Objektiv ED Objektiv
       
Billigmodel, unbefriedigend 70 - 150 € einfache Qualität * unter 900 €
ordentliches Spektiv 200 - 300 € gutes Spektiv ab 1000 €
Mehr als 300 € sollte ein achromatisches Spektiv nicht kosten. High End ab 2500 €

* Es gibt fernöstliche Anbieter, die mit Kampfpreisen zwischen 450 bis 600 € Spektive mit ED Objektiven auf den Markt bringen, beispielsweise Vanguard. Ihre Bildqualität liegt über dem Achromaten, aber nicht auf dem Level einer sehr guten Optik. Zudem muss man Abstriche bei Fertigungsqualität hinnehmen. Für den gelegentlichen Gebrauch sind sie in Ordnung, doch längst nicht so robust und optisch so hochwertig wie richtig gute ED Spektive ab 1000 €.

Sieht man den Unterschied in der Praxis? Ambitionierte Naturbeobachter mit guten Augen stellen sehr hohe Ansprüche, die ein achromatisches Spektiv nicht erfüllen kann. Aber ungeübte Beobachter, die nur bei hellem Tageslicht und seltenen Gelegenheiten gelegentlich durch ein Spektiv gucken, fällt die mit zunehmender Vergrößerung geringer werdende Bildqualität mit stärkeren Farbsäumen mangels Vergleich gar nicht auf. Beim direkten Vergleich, beispielweise durch die Betrachtung desselben Motivs mit einem edlen Kowa TSN-883 Spektiv mit Fluorid-Optik und einem achromatischen Celestron Ultima 80 kann man den Unterschied gar nicht übersehen. In Schulnoten ausgedrückt, erhält das Bild des Kowa bei allen Vergrößerungen die Note 1 und das Celestron die Note 3 (befriedigend) bei niedriger Vergrößerung und 4 (ausreichend) bei hoher.

Fernglas oder Spektiv?

Die Frage ist schnell beantwortet: Spektiv und Fernglas ergänzen sich. Mit dem Fernglas hat man eine bessere übersicht und Orientierung, beispielsweise zum Aufspüren von Tieren in einer Landschaft. Das Spektiv vergrößert die Motive stärker und ermöglicht Detailstudien. Wenn man bei einer Wanderung nicht das volle Gepäck mitschleppen möchte, ist das Mitnehmen eines Fernglases sinnvoller.


Kowa Prominar TSN-883 Spektiv mit zwei Ferngläsern

Spektiv oder herkömmliches Teleskop?

Spektive sind spezielle Teleskope für Naturbeobachter. Für diese Verwendung sind sie kompakt, robust und vertragen sogar schlechtes Wetter. Moderne Spektive haben integrierte Umkehrprismen und eine Innenfokussierung, sodaß die Nutzer, aber auch Staub, Wind und Wetter gar nicht erst an die empfindliche Optik und Mechanik herankommen. Ihre Handhabung ist einfach und man muss nicht lange über das Kombinieren vieler modular austauschbarer Dinge nachdenken, weil man in der Praxis nur ein Zoomokular am Spektiv verwendet.

Im Astrohandel gibt es kleine kompakte APO Refraktoren mit 70 bis 90mm öffnung, beispielsweise den Lacerta ED 72/432. Sie können flexibel mit Amiciprismen, Zenitspiegeln und Weitwinkelokularen kombiniert werden. Sogar die Nutzung von Binokularen zum Sehen mit beiden Augen ist möglich. Diese kleinen Apo-Refraktoren sind nicht ganz so handlich wie Spektive von Nikon, Zeiss, Kowa, Leica, Swarovski und anderen. Aber astronomische Teleskope sind vielseitiger und mit ausreichend gutem Zubehör ausgestattet oftmals billiger, wenn man nicht zu den teuersten Okularen greift. Zudem kann man sie auf astronomischen Montierungen und Fotostativen verwenden.

Nahezu alle modernen astronomischen Teleskope haben einen 2" und/oder 1,25" Okularanschluss. Es gibt ein riesiges Angebot an austauschbaren Okularen von verschiedenen Herstellern. Vieles ist preiswert zu erhalten. Dagegen haben die meisten Spektive eigene Anschlüsse, die nicht mit anderen Systemen kompatibel sind.

Zum Fotografieren mit der DSLR oder mirrorless Systemkameras sind die Apo-Refraktoren im primären Brennpunkt gut geeignet, sofern man einen Bildfeldebner (Flattener) vor die Kamera montiert. Am Spektiv setzt sich zunehmend das Smartphone als Aufnahmegerät durch.

Ein guter Apo-Refraktor kann bei entsprechenden Sicht- und Lichtbedingungen eine Vergrößerung vertragen, die doppelt so groß ist wie sein Objektivdurchmesser in Millimetern. Demnach sollte ein 80mm Apo eine 160x Vergrößerung bringen, die natürlich nur bei lichtstarken Objekten wie dem Monde oder einem hellen Planeten Sinn macht. Spektive mit demselben Objektivdurchmesser bleiben darunter. Ihre Grenze liegt bedingt durch das Okularangebot bei ca. 60x bis 75x.


© Thomas Gade   Unsere Texte und Bilder sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung ist nur mit schriftlicher Erlaubnis des Verfassers gestattet und stets honorarpflichtig. / © Our articles and images are copyrighted.